Kortison: Was Sie wissen sollten
Den Entzündungshemmer gibt es in vielen Formen. Er hilft gegen zahlreiche Beschwerden, doch manche Patienten fürchten seine Nebenwirkungen. Tipps für den Gebrauch
Kortikoide werden in den verschiedensten Darreichungsformen eingesetzt
Sie werden geschluckt, gespritzt, gesprüht, getropft, eingerieben oder inhaliert. Kaum eine Arzneimittelgruppe hilft bei so vielen unterschiedlichen Krankheiten wie die sogenannten Glukokortikoide. Ohne die Abkömmlinge des körpereigenen Hormons Kortisol, das in der Nebennierenrinde hergestellt wird, könnten Rheumatologen, Allergologen, Haut-, Lungen- oder Augenärzte ihre Patienten oft nicht zufriedenstellend behandeln. In der Laiensprache hat sich der Sammelbegriff Kortison eingebürgert.
"Glukokortikoide gehören zu den stärksten antientzündlichen Arzneien", sagt Professor Frank Buttgereit, Rheumatologe an der Charité Berlin. Sie wirken überall, wo sich gerade eine Entzündung abspielt – sei es in Gelenken, Atemwegen oder der Haut. Werden sie aber länger und in höheren Dosierungen angewandt, drohen unter anderem Diabetes, Osteoporose, Bluthochdruck und erhöhte Infektionsgefahr. Deshalb stehen viele Patienten – und teils auch Ärzte – den Mitteln skeptisch gegenüber.
Trend zur Wirkung vor Ort
In vielen Fällen geben Mediziner aber mittlerweile Entwarnung. "Moderne Glukokortikoide sind in der Regel wirksamer und besser verträglich als die älteren", betont etwa der Präsident des Verbands Deutscher Allergologen, Professor Ludger Klimek. Auch werden mittlerweile viele Patienten mit Kortikoidpräparaten behandelt, die fast ausschließlich örtlich wirken. "Da deren Wirkstoffe kaum ins Blut gelangen, haben sie viel weniger allgemeine Nebenwirkungen", erläutert Klimek.
Darreichungsformen von Kortison
Tabletten
Niemals abrupt absetzen darf man ein Glukokortikoid nach einer längeren Behandlung. "Die Dosis muss langsam verringert werden", betont der Berliner Rheumatologe Buttgereit. Zum einen, weil die Nebennierenrinde die körpereigene Kortisolproduktion gedrosselt oder ganz eingestellt haben könnte und ihre Arbeit erst langsam wieder aufnehmen muss. Zum anderen, weil die Entzündung ohne Arzneien vielleicht plötzlich wieder aufflammt.
Frühmorgens sind Glukokortikoide am effektivsten. "Da die Nebennierenrinde dann am meisten Kortisol produziert, wird die körpereigene Hormonbildung am wenigsten gestört", sagt Rebecca Gross, Apothekenleiterin aus Wildau. Idealer Einnahmezeitpunkt: zwischen zwei und acht Uhr morgens. Bei rheumatoider Arthritis eignen sich auch Präparate mit verzögerter Wirkstofffreisetzung. Abends geschluckt, helfen sie am frühen Morgen gegen Gelenksteifigkeit.
Spritzen
Ins Blut gelangt der Wirkstoff, wenn er in die Vene, seltener in den Muskel gespritzt wird. Dann verteilt sich der Entzündungshemmer schnell im Körper, was bei schweren allergischen Reaktionen erwünscht ist.
Örtlich wirksam sind Glukokortikoide, wenn sie bei Arthritis oder aktivierter Arthrose direkt ins Gelenk gespritzt werden. "Bis auf Gesichtsrötungen sind allgemeine Nebenwirkungen eher selten", sagt Buttgereit.
Nasensprays
Gegen Heuschnupfen sind mit Mometason und Fluticason neuerdings zwei gut verträgliche, wirksame Glukokortikoide als rezeptfreie Nasensprays erhältlich – vorausgesetzt, ein Arzt hat eine Allergie diagnostiziert. "Sie werden besser in die Nasenschleimhaut aufgenommen als ältere Präparate", sagt Allergologe Klimek. "Da sie auch in der Schleimhaut verstoffwechselt werden, gelangt kaum etwas in den Kreislauf."
Die ärztliche Kontrolle aber nicht vernachlässigen. "Bessern sich die Symptome nicht innerhalb von sieben Tagen, muss man einen Arzt aufsuchen", so Gross. Langfristig drohen durch die Sprays Schleimhautschäden.
Inhalationen
Alle Asthmasprays sind verschreibungspflichtig, denn die Behandlung einer Atemwegserkrankung gehört stets in die Hand eines Arztes. "Da in der Lunge mehr Wirkstoff aufgenommen wird, sind auch mehr Nebenwirkungen denkbar, vor allem bei Kombipräparaten", betont Klimek.
Nach dem Sprühen rät Apothekerin Gross, den Mund auszuspülen oder die Zähne zu putzen: "Wirkstoffreste auf der Mundschleimhaut begünstigen Pilzinfektionen." Auch eine Inhalierhilfe beugt einem solchen Befall vor.
Augentropfen
Am Auge schädigen Kortikoide bei längerer Anwendung die Hornhaut und verzögern außerdem die Wundheilung. Sie sollten deshalb nur kurzfristig und stets unter augenärztlicher Kontrolle verwendet werden.
Regelmäßig zum Augenarzt sollten alle Patienten gehen, die längerfristig Glukokortikoide verordnet bekommen – egal in welcher Arzneiform. Bei jedem Vierten steigt nämlich der Augendruck etwa zwei Wochen nach Therapiebeginn an. Mit zunehmender Dosis und Dauer erhöht sich zudem das Risiko einer Linsentrübung.
Cremes
Die Haut reagiert noch empfindlicher auf Glukokortikoide als die Schleimhäute. "Bei längerfristiger Anwendung wird sie dünn und pergamentartig", sagt Klimek. Deshalb den Wirkstoff auf der Haut nur zwei oder drei Wochen lang benutzen.
Rezeptfrei erhältlich sind Cremes und Sprays mit niedrig dosiertem Hydrokortison. "Sie eignen sich aber lediglich zur kurzfristigen Behandlung von Insektenstichen, leichtem Sonnenbrand oder Juckreiz", sagt Apothekerin Gross. Nicht großflächig oder auf verletzte Haut auftragen.
Rheumatologen verabreichen Glukokortikoide dagegen oft als Tabletten oder Spritzen. Und jeder zweite Patient benötigt eine dauerhafte Therapie. Eine Arbeitsgruppe um Buttgereit hat untersucht, ob bei einer Langzeittherapie mit dem Glukokortikoid Prednison eine sichere Dosierung möglich ist.
"Bei bis zu fünf Milligramm am Tag überwiegt meist der Nutzen die Risiken", sagt der Experte. Im mittleren Dosisbereich entscheide die individuelle Situation des Patienten, und ab einer bestimmten Schwelle dominiere der Schaden. "Aber wir versuchen grundsätzlich, Nebenwirkungen zu verhindern oder bei Bedarf zu behandeln."
Mit Bedacht dosieren
Das Motto bei der Suche nach der optimalen Dosis: so viel wie nötig, so wenig wie möglich. Rheumatologe Buttgereit: "Wir kämpfen um jedes Milligramm, das wir sparen können."